Herr Tobler fasst Selbstvertrauen
Herr Tobler ist nicht so gross. Er ist blond und eher schmächtig, trägt meist alte Jeans und ein flauschiges Holzfällerhemd in hellen Farben, welches er über den Hosenbund fallen lässt. Er ist siebenunddreissig Jahre alt, und er hat ein liebes Gesicht, das oft schelmisch vor sich hinlächelt.
Herr Tobler hatte sicher Frauengeschichten, das schon, aber das ist lange her, und wenn er sich daran erinnern möchte, dann spürt er das alles hinter sich gelassen wie die Stadt, aus der man gerade kommt, wenn man in der nächsten aus dem Zug steigt.
Später war das nicht mehr möglich, er wurde zu alt, zu eigenartig und zu ängstlich. Und seine sehnsüchtigen Blicke nach ihm sympathischen Frauen in Cafés und auf der Strasse begannen mehr und mehr ihn zu beherrschen und ihn auszuzehren. Er fühlte sich versklavt.
Als er aber einmal dienstags im Zug sass und das Kreuzworträtsel in der Zeitung löste, änderte sich alles. Er hatte schon beim Einsteigen die anziehende junge Frau gesehen, und beim Lesen sah er nun - nicht scharf, aber im Augenwinkel - wie sie aus ihrem Abteil lange zu ihm herübersah. Herr Tobler wurde augenblicklich derart glücklich, dass er keinen einzigen Buchstaben mehr erkennen konnte und die ganze Zeit nur dem Tanzen der Textkästchen vor seinen Augen zusah. Er unterliess es in seinem Taumel auch gänzlich, zu der Frau hinüberzublicken, um vielleicht einen kurzen Augenkontakt geniessen zu können.
Als ihm dies auffiel, war die Frau schon im Begriff, ihre Zeitschrift und das Handy in ihre Tasche zu packen und beim nächsten Halt auszusteigen. Er blickte weiter auf sein Papier, bis sie weit weg war. Er ärgerte sich nicht, er hatte in seiner Euphorie einen kleinen Hauch lang die starke Bewunderung einer fremden Frau gespürt. Und nun war er gerade froh, dass er letztlich gar nicht wusste, ob sie überhaupt ihn oder doch nur die vorbeiziehende Landschaft hinter ihm betrachtet habe. Sonst wäre seine Einbildung womöglich zerrüttet worden.
An jenem warmen Abend ging er noch während Stunden durch die Stadt und lächelte mild. Er strengte sich an, sich als männliche Prinzessin zu sehen, blickte nun keiner Frau mehr nach oder überhaupt länger ins Gesicht, und er lächelte unentwegt milde und zufrieden. Bei Frauen, die ihn schon im Augenwinkel so neugierig machten, dass er sich kaum halten konnte, dachte er trotzig: "Ja, du möchtest wahnsinnig gerne, dass ich dich anschaue. Aber weisst du, ich habe meine eigenen Dinge zu erledigen, und ich kann mich ja nun wirklich nicht jeder Frau widmen, nur weil sie halt eben gerade schön - und schön geformt ist. Sorry." Und er sagte leise zu sich: "Das habe ich doch nicht nötig, dein Dekolletee zu beglotzen, auch wenn du alles darauf anlegst, dass ich es tue. Ich habe einfach keine Zeit für solchen Kinkerlitz."
Er wusste, dass er sich mit alledem - wie damals im Zug - an einen Luftballon hängte, doch das störte ihn nicht sehr. Er war zufrieden, wenn er sich für einen Moment nicht mehr versklavt vorkam, dass er ein Instrument gefunden hatte, das ihn an manchen Tagen vor der Qual der Sehnsucht beschützte.
Es fehlte ihm nichts, an jenem Abend. Und seitdem gelingt es Herrn Tobler recht häufig, sich mit schelmischem Blick Märchen auszudenken.
Herr Tobler hatte sicher Frauengeschichten, das schon, aber das ist lange her, und wenn er sich daran erinnern möchte, dann spürt er das alles hinter sich gelassen wie die Stadt, aus der man gerade kommt, wenn man in der nächsten aus dem Zug steigt.
Später war das nicht mehr möglich, er wurde zu alt, zu eigenartig und zu ängstlich. Und seine sehnsüchtigen Blicke nach ihm sympathischen Frauen in Cafés und auf der Strasse begannen mehr und mehr ihn zu beherrschen und ihn auszuzehren. Er fühlte sich versklavt.
Als er aber einmal dienstags im Zug sass und das Kreuzworträtsel in der Zeitung löste, änderte sich alles. Er hatte schon beim Einsteigen die anziehende junge Frau gesehen, und beim Lesen sah er nun - nicht scharf, aber im Augenwinkel - wie sie aus ihrem Abteil lange zu ihm herübersah. Herr Tobler wurde augenblicklich derart glücklich, dass er keinen einzigen Buchstaben mehr erkennen konnte und die ganze Zeit nur dem Tanzen der Textkästchen vor seinen Augen zusah. Er unterliess es in seinem Taumel auch gänzlich, zu der Frau hinüberzublicken, um vielleicht einen kurzen Augenkontakt geniessen zu können.
Als ihm dies auffiel, war die Frau schon im Begriff, ihre Zeitschrift und das Handy in ihre Tasche zu packen und beim nächsten Halt auszusteigen. Er blickte weiter auf sein Papier, bis sie weit weg war. Er ärgerte sich nicht, er hatte in seiner Euphorie einen kleinen Hauch lang die starke Bewunderung einer fremden Frau gespürt. Und nun war er gerade froh, dass er letztlich gar nicht wusste, ob sie überhaupt ihn oder doch nur die vorbeiziehende Landschaft hinter ihm betrachtet habe. Sonst wäre seine Einbildung womöglich zerrüttet worden.
An jenem warmen Abend ging er noch während Stunden durch die Stadt und lächelte mild. Er strengte sich an, sich als männliche Prinzessin zu sehen, blickte nun keiner Frau mehr nach oder überhaupt länger ins Gesicht, und er lächelte unentwegt milde und zufrieden. Bei Frauen, die ihn schon im Augenwinkel so neugierig machten, dass er sich kaum halten konnte, dachte er trotzig: "Ja, du möchtest wahnsinnig gerne, dass ich dich anschaue. Aber weisst du, ich habe meine eigenen Dinge zu erledigen, und ich kann mich ja nun wirklich nicht jeder Frau widmen, nur weil sie halt eben gerade schön - und schön geformt ist. Sorry." Und er sagte leise zu sich: "Das habe ich doch nicht nötig, dein Dekolletee zu beglotzen, auch wenn du alles darauf anlegst, dass ich es tue. Ich habe einfach keine Zeit für solchen Kinkerlitz."
Er wusste, dass er sich mit alledem - wie damals im Zug - an einen Luftballon hängte, doch das störte ihn nicht sehr. Er war zufrieden, wenn er sich für einen Moment nicht mehr versklavt vorkam, dass er ein Instrument gefunden hatte, das ihn an manchen Tagen vor der Qual der Sehnsucht beschützte.
Es fehlte ihm nichts, an jenem Abend. Und seitdem gelingt es Herrn Tobler recht häufig, sich mit schelmischem Blick Märchen auszudenken.
moccalover - 10. Aug, 23:45