Welcher Blickwinkel? Welche Szene? Die Drogen im Club, drinnen die Ausländer, Anarchisten und Rasierten, draußen die Türsteher? Wo spielt das? In Bahnhof-Nähe? Reimt sich das Wort Ausländer so schön auf das Wort Anarchist? Tragen die Anarchisten T-Shirts mit dem Aufdruck "Ich bin Anarchist" oder einen Stempel auf der Stirn? Oder ist das die bessere Gegend von Bern? Die Gegend der gestylten Drogendealer und ihrer gestylten Junkies? Haben die Klos in Bern andere Besucher als die Klos der Szene-Clubs in Köln? Werber, Bankangestellte, Studenten, Ausländer und viel bunte Schickeria.
Dass Sie mir diese Fragen stellen, sollte mich beunruhigen. Aber es freut mich! Und auch, dass Sie vorbeischauen.
Vielleicht bin ich zu weit gegangen, etwas zu unbekannt noch, um solches auszubreiten. Ich will mit diesem Text überhaupt keine politische bzw. gesellschaftliche Meinung propagieren. Ich will nicht mit dem Polizisten und seinen Äusserungen sympathisieren, aber ich will ihn auch nicht ablehnen.
Ich wollte nur in literarischer Form, die sich nicht weiter erklärt, die Stimmung wiedergeben, die sich in mir als Essenz eines Gesprächs einnistete. Ich war mit dem Polizisten für eine bestimmte Zeit in einem Raum und hatte mir das nicht ausgesucht. Die Begebenheiten der Geschichte, die der Polizist mir erzählt hat, sind kaum nachvollziehbar im Text, aber das wollte ich nicht, und das brauchte der Text auch nicht. Nur soviel hätte ich vielleicht nicht verschweigen sollen:
Das Milieu kann nicht so grossstädtisch klar eingeordnet werden, es geht um einen Vorfall am Fasching. In einer Kleinstadt, im heruntergekommensten Restaurant der Stadt, im einzigen, wo der Zutritt nicht von Geld und schöner Kleidung abhängt. Ein Schwerverletzter ging da, morgens um vier, sogar bei der Polizei als "verunfallt" durch.
Dieser Gedanke, die tägliche Abscheu und Gleichgültigkeit gegenüber bestimmten Mitmenschen, die aus den Worten des Polizisten sprach, hat mich verstört, traurig gemacht. Es geht mir nicht darum, irgendein Milieu schlechtzureden oder die Gleichgültigkeit des Polizisten gutzuheissen; ganz im Gegenteil. Ich wollte zeigen, wie die Justiz unterschiedlich funktioniert je nachdem, wen’s trifft. Ich weiss, dass in meinem Text nichts von meinem Mitgefühl durchscheint; das ist unüblich, aber das war für mich eine Möglichkeit der Verarbeitung.
Ich glaube auch, dass man den Texten anmerkt, inwiefern sie sachlich-politisch und wann literarisch ausgerichtet sind. Ich könnte schon einfach schreiben, ich bin geschockt, was dieser Faschist denkt und sagt. Aber die Ablehnung dieser Haltung steht für mich nicht im Zentrum. Vielleicht ist sie für mich zu klar (und in diesem Blog eben noch zu wenig klargeworden). Mich interessiert die Folgefrage auf die Feststellung, dass jemand für mich so inakzeptabel denkt. Ich frage mich, wie es dazu kommt. Und da genügen mir die klassischen, bspw. sozialistischen, Verschwörungstheorien von der Verdummung der Masse durch irgendwen eben nicht ganz, auch wenn da was dran ist.
So frage ich mich, wie es dazu kommt, dass dieser Polizist so denkt, und was ändern müsste, dass er nicht mehr so denken würde. Ein Mittel auf dieser Suche ist für mich der Text hier. Natürlich erklärt er nichts; dafür würde ich eine Abhandlung schreiben. Aber er sollte mir selber einen Eindruck davon vermitteln, was und wie der andere Mensch eigentlich wahrnimmt, dessen Meinung ich als so konträr zur meinigen empfinde. Ich wollte mich hineinfühlen, ohne das emotional oder in irgendeiner Weise mitfühlend zu verstehen. Das hilft vielleicht dem Verständnis, wie es dazu kommt.
Entschuldigen Sie, dass das so lang geworden ist, aber ich sah, dass es hier ausnahmsweise nicht ohne längere Erklärungen geht. Ich bin gespannt auf Ihre Meinung.
Kleiner Nachtrag:
Nicht nur Anarchist und Ausländer hören sich hübsch an, wie ich gerade lese: Mit der Post kam wieder eine Ladung Bücher: "Isländischer Anarchist" ist doch auch eine nette Assoziation.
Gesehen auf S. 20 bei Henryk M.Broder, Der ewige Antisemit, BvT Berlin, Neuauflage Juli 2005
Von dem Buch habe ich, glaube ich, den Vorabdruck zur Erstauflage im Spiegel gelesen. Broder polarisiert und polemisiert, ich lese aber manchmal gerne Dinge, die mich aufregen. Wird in dem Buch nicht die These vertreten, dass der wahre Antisemitismus im Anti-Antisemitismus zu finden sei? Oder habe ich das komplett falsch in Erinnerung? Würden Sie mir das Buch empfehlen? Beim isländischen Anarchisten muss ich natürlich an die grönländische Eiswürfelmafia denken...
P.S. Wie Sie sehen konnten, ist auch meine Haut nicht die des Elephanten. Wir werden's schon schaffen!
Ich antworte Ihnen dann, wenn ich es zu Ende gelesen habe. Ich hatte heute nur wieder diesen Aha-Effekt bereits auf den ersten Seiten und konnte einfach nicht an mich halten ...
Ja, es könnte durchaus sein, dass wir es schaffen.
Vielleicht bin ich zu weit gegangen, etwas zu unbekannt noch, um solches auszubreiten. Ich will mit diesem Text überhaupt keine politische bzw. gesellschaftliche Meinung propagieren. Ich will nicht mit dem Polizisten und seinen Äusserungen sympathisieren, aber ich will ihn auch nicht ablehnen.
Ich wollte nur in literarischer Form, die sich nicht weiter erklärt, die Stimmung wiedergeben, die sich in mir als Essenz eines Gesprächs einnistete. Ich war mit dem Polizisten für eine bestimmte Zeit in einem Raum und hatte mir das nicht ausgesucht. Die Begebenheiten der Geschichte, die der Polizist mir erzählt hat, sind kaum nachvollziehbar im Text, aber das wollte ich nicht, und das brauchte der Text auch nicht. Nur soviel hätte ich vielleicht nicht verschweigen sollen:
Das Milieu kann nicht so grossstädtisch klar eingeordnet werden, es geht um einen Vorfall am Fasching. In einer Kleinstadt, im heruntergekommensten Restaurant der Stadt, im einzigen, wo der Zutritt nicht von Geld und schöner Kleidung abhängt. Ein Schwerverletzter ging da, morgens um vier, sogar bei der Polizei als "verunfallt" durch.
Dieser Gedanke, die tägliche Abscheu und Gleichgültigkeit gegenüber bestimmten Mitmenschen, die aus den Worten des Polizisten sprach, hat mich verstört, traurig gemacht. Es geht mir nicht darum, irgendein Milieu schlechtzureden oder die Gleichgültigkeit des Polizisten gutzuheissen; ganz im Gegenteil. Ich wollte zeigen, wie die Justiz unterschiedlich funktioniert je nachdem, wen’s trifft. Ich weiss, dass in meinem Text nichts von meinem Mitgefühl durchscheint; das ist unüblich, aber das war für mich eine Möglichkeit der Verarbeitung.
Ich glaube auch, dass man den Texten anmerkt, inwiefern sie sachlich-politisch und wann literarisch ausgerichtet sind. Ich könnte schon einfach schreiben, ich bin geschockt, was dieser Faschist denkt und sagt. Aber die Ablehnung dieser Haltung steht für mich nicht im Zentrum. Vielleicht ist sie für mich zu klar (und in diesem Blog eben noch zu wenig klargeworden). Mich interessiert die Folgefrage auf die Feststellung, dass jemand für mich so inakzeptabel denkt. Ich frage mich, wie es dazu kommt. Und da genügen mir die klassischen, bspw. sozialistischen, Verschwörungstheorien von der Verdummung der Masse durch irgendwen eben nicht ganz, auch wenn da was dran ist.
So frage ich mich, wie es dazu kommt, dass dieser Polizist so denkt, und was ändern müsste, dass er nicht mehr so denken würde. Ein Mittel auf dieser Suche ist für mich der Text hier. Natürlich erklärt er nichts; dafür würde ich eine Abhandlung schreiben. Aber er sollte mir selber einen Eindruck davon vermitteln, was und wie der andere Mensch eigentlich wahrnimmt, dessen Meinung ich als so konträr zur meinigen empfinde. Ich wollte mich hineinfühlen, ohne das emotional oder in irgendeiner Weise mitfühlend zu verstehen. Das hilft vielleicht dem Verständnis, wie es dazu kommt.
Entschuldigen Sie, dass das so lang geworden ist, aber ich sah, dass es hier ausnahmsweise nicht ohne längere Erklärungen geht. Ich bin gespannt auf Ihre Meinung.
Nicht nur Anarchist und Ausländer hören sich hübsch an, wie ich gerade lese: Mit der Post kam wieder eine Ladung Bücher: "Isländischer Anarchist" ist doch auch eine nette Assoziation.
Gesehen auf S. 20 bei Henryk M.Broder, Der ewige Antisemit, BvT Berlin, Neuauflage Juli 2005
P.S. Wie Sie sehen konnten, ist auch meine Haut nicht die des Elephanten. Wir werden's schon schaffen!
Ja, es könnte durchaus sein, dass wir es schaffen.