Er geht.
Noch zweieinhalb Monate. Dann geht er. Ewiger Regen fällt in Giesskannenstrahlen auf den Fenstersims, bildet lustige, kullerige Blasen, weil der Kupferbelag sich nicht nässen lässt. Hier drinnen ist es auch nicht nass, aber die Feuchte durchdringt die Baumwolle der Kleider, und sie legt sich klebrig auf den Holztisch, schiebt sich zwischen den Stuhl und die Hose.
Er geht nicht weit weg, nur ans andere Ende der Stadt. Er war vielleicht - ein bisschen nur - weniger dabei als wir beiden anderen, aber vielleicht war auch ich weniger dabei, und merkte es nicht. Aber wir waren drei. Das zählte. Das war immer über allem. Die faktischen Zweierbeziehungen standen immer unter dem Dache der Drei. Wir waren zusammengekommen, um ewige Reiche der Wohnkultur zu errichten. Um die Jugend zu perpetuieren.
Die Küche ist düster, aber verstörend durchzogen von einem verzweifelten Licht, das sich durch die Untiefe einer schwarzen Regenwolke drängt und am Abendhimmel eine andere Wolke grell erleuchtet und von da verstreut hineinfällt. In zweieinhalb Monaten geht er, zieht zusammen mit ihr, wie er sich in einem schwarzen Loch mit aller übrigen Materie zusammenzöge, wie wenn die Schwerkraft ihn zum Boden zwänge. Er bricht den nie gesprochenen Schwur, dass über die Drei nichts käme; fast, wie wir ihn ständig brechen, aber dieses Mal ist es ernst. Zum grossen Landgut oder Bauernhof wird es nicht kommen, auf dem wir - gegebenenfalls mit Frau und Kind - zusammenbleiben wollten.
Es war ein Schwur, den vielleicht niemand wirklich bis aufs letzte verteidigen wollte. Aber seine Tat entpuppt sich als Grausamkeit ganz unerwarteter Art. Er lässt uns zwei zurück. Ein Paar, ein schönes Freundespaar, sicherlich. Es zeichnete sich auch ab, dass mit zunehmendem Alter die Schwierigkeit steigt, mehr als einen anderen Erwachsenen dauernd neben sich zu haben. Es ging häufig besser zu zweit als zu dritt, ganz gleichgültig, wer mit wem. Aber er wirft uns mit seiner Entscheidung unweigerlich und krachend die Frage vor die Füsse. Selbst wenn gerade er das zuletzt möchte. Wie lange wir denn diese Jugend noch fortzusetzen gedächten. Ob wir uns nicht auch einmal ernsthafte Gedanken machen sollten, die mit Langfristigkeit in Zusammenhang stehen.
Hier steht seine blaue, in ihrer ovalen Form undefinierbare Fruchtschale, auf der manchmal die Äpfel von der Südhalbkugel liegen, deren Unvernunft ich tausendmal gepredigt habe. Jetzt sind es rote Äpfel, und ihre Haut glänzt feuchtfettig. Da drüben die Kaffeemaschine, die wir Giulia nannten, die er in unserem Auftrag und auf gemeinsame Rechnung in Italien vom Bestanbietenden beschaffte, und die wir so oft zum Dottore schickten. Er hat vorhin abgewaschen – sehe ich das nur jetzt, oder ist das neu? Das Spültrogsieb stinkt, weil es noch voller Salat und Sauce ist. Oft stand ich hier und fluchte, und wünschte mir, es wäre soweit, wie es nun ist.
Im Bad liegt Staub, auch er klebt; und er hat wieder nicht aufgepasst beim Pissen. Ich mochte nie zu viel sagen, er nahm alles so ernst. Wir waren Drei, das zählte. Ich mochte ihn genau so, er war genau so wichtig.
Noch zweieinhalb Monate, bis er geht, und er spielt auf der Gitarre, wir schreien durch das geöffnete Fenster in den Regen. In der durchfeuchteten Luft tragen sich die Stimmen in die Wände und lassen sie leise mitsummen. Geht seine Stimme nach oben, suche ich die Basslinie, und so tanzen wir durch die Lieder, immer wechselnd. Wir lachen.
Er geht nicht weit weg, nur ans andere Ende der Stadt. Er war vielleicht - ein bisschen nur - weniger dabei als wir beiden anderen, aber vielleicht war auch ich weniger dabei, und merkte es nicht. Aber wir waren drei. Das zählte. Das war immer über allem. Die faktischen Zweierbeziehungen standen immer unter dem Dache der Drei. Wir waren zusammengekommen, um ewige Reiche der Wohnkultur zu errichten. Um die Jugend zu perpetuieren.
Die Küche ist düster, aber verstörend durchzogen von einem verzweifelten Licht, das sich durch die Untiefe einer schwarzen Regenwolke drängt und am Abendhimmel eine andere Wolke grell erleuchtet und von da verstreut hineinfällt. In zweieinhalb Monaten geht er, zieht zusammen mit ihr, wie er sich in einem schwarzen Loch mit aller übrigen Materie zusammenzöge, wie wenn die Schwerkraft ihn zum Boden zwänge. Er bricht den nie gesprochenen Schwur, dass über die Drei nichts käme; fast, wie wir ihn ständig brechen, aber dieses Mal ist es ernst. Zum grossen Landgut oder Bauernhof wird es nicht kommen, auf dem wir - gegebenenfalls mit Frau und Kind - zusammenbleiben wollten.
Es war ein Schwur, den vielleicht niemand wirklich bis aufs letzte verteidigen wollte. Aber seine Tat entpuppt sich als Grausamkeit ganz unerwarteter Art. Er lässt uns zwei zurück. Ein Paar, ein schönes Freundespaar, sicherlich. Es zeichnete sich auch ab, dass mit zunehmendem Alter die Schwierigkeit steigt, mehr als einen anderen Erwachsenen dauernd neben sich zu haben. Es ging häufig besser zu zweit als zu dritt, ganz gleichgültig, wer mit wem. Aber er wirft uns mit seiner Entscheidung unweigerlich und krachend die Frage vor die Füsse. Selbst wenn gerade er das zuletzt möchte. Wie lange wir denn diese Jugend noch fortzusetzen gedächten. Ob wir uns nicht auch einmal ernsthafte Gedanken machen sollten, die mit Langfristigkeit in Zusammenhang stehen.
Hier steht seine blaue, in ihrer ovalen Form undefinierbare Fruchtschale, auf der manchmal die Äpfel von der Südhalbkugel liegen, deren Unvernunft ich tausendmal gepredigt habe. Jetzt sind es rote Äpfel, und ihre Haut glänzt feuchtfettig. Da drüben die Kaffeemaschine, die wir Giulia nannten, die er in unserem Auftrag und auf gemeinsame Rechnung in Italien vom Bestanbietenden beschaffte, und die wir so oft zum Dottore schickten. Er hat vorhin abgewaschen – sehe ich das nur jetzt, oder ist das neu? Das Spültrogsieb stinkt, weil es noch voller Salat und Sauce ist. Oft stand ich hier und fluchte, und wünschte mir, es wäre soweit, wie es nun ist.
Im Bad liegt Staub, auch er klebt; und er hat wieder nicht aufgepasst beim Pissen. Ich mochte nie zu viel sagen, er nahm alles so ernst. Wir waren Drei, das zählte. Ich mochte ihn genau so, er war genau so wichtig.
Noch zweieinhalb Monate, bis er geht, und er spielt auf der Gitarre, wir schreien durch das geöffnete Fenster in den Regen. In der durchfeuchteten Luft tragen sich die Stimmen in die Wände und lassen sie leise mitsummen. Geht seine Stimme nach oben, suche ich die Basslinie, und so tanzen wir durch die Lieder, immer wechselnd. Wir lachen.
moccalover - 15. Aug, 23:09