Holundersirup

Sturzbachartige Passantenströme drängen mir entgegen. Dieser Bahnhofsunterwelt will ich entfliehen, ich gehe schnell und schmiege mich hin und her, um niemanden zu erwischen. Doch der Strom wird zu dicht, ich stelle mich in den toten Winkel einer Säule, warte ab. Auf einmal rieche ich Parfum, und hinter mir steht eine Frau, ich blicke mich kurz um, sie schaut verdutzt, und ich versuche zu lächeln. Für einen Moment im gleichen Boot. Ein paar Sekunden lang mag ich nun doch noch nicht weitergehen, aber schon bald höre ich ein Rascheln, die Frau muss sich wohl auf den Weg machen. Sie sticht scharf an mir vorüber in die Menge, und bevor sie an mir vorbeigeht, streift ihre Brust mein Schulterblatt. Weich, tief, flüchtig.

Aber so sanft, dass ich sogleich über mögliche Absichten mutmasse und diese Gedanken auch später, beim Heimgehen, immer wieder im Kopf herumschwirren sehe. Genau wie in der siebten Klasse, als die Mädchen es sich zum Vergnügen machten, einem bisweilen auf diese Weise nahe zu kommen, ohne in irgendeiner Weise eindeutig zu sein, geschweige denn ertappt werden zu können.

Immer hatte mich diese Form gefesselt, die mir abgeht. Dieses Weiche, diese Wärme. Wenn es keinen Penisneid gibt, dann gibt es noch immer und ganz sicher einen männlichen Brustneid. Nur ist es kein eigentlicher Neid, es ist ein Sehnen, eine ewige Faszination. Es mag auch auf frühkindlichen Erfahrungen beruhen, mit Sicherheit beruht es bei mir aber auf diesen Schülererfahrungen, die in ihrer Intensität mein heutiges Erlebnis natürlich in den dunkelsten Schatten stellen. Alles war es noch fremd damals, noch nie hatte ich eine Brust betrachten und liebkosen dürfen. Wenn er mir zuteil wurde, versetzte mich dieser vorerst einzige Berührungspunkt zum Unbekannten, zu dem zu entdeckenden Land, jeweils in einen Traumzustand, der schnell zerbröckelte. Ohnehin war es ausgeschlossen, solche Situationen irgendwie erotisch aufzufassen, jedenfalls das irgendwie zu zeigen.

Und so wurde die Wichtigkeit der Ereignisse durch deren seltenes Auftreten und deren Verschwiegenheit noch gesteigert.

Heute begleitet mich das Erlebnis nicht mehr so beherrschend, nur nebenbei, aber wie ein schwachsüsser Geschmack im Mund; getrunkener Holundersirup.
sravana - 31. Aug, 10:58

Holunderblütensirup

könnte ich eine Flasche abgeben. Er hinterlässt manchmal wirklich
ein lieblich-süsser Geschmack. Aber mein heuriger, weckt bei mir nicht gerade
schöne Erinnerungen. Wie schon
hier erwähnt.
Falls ich nicht zu bequem bin, die Zeit reicht und ich die verfärbten Hände auf mich
nehmen will, werde ich im Wald noch Holunderbeeren sammeln um den Spätsommer auch noch im Winter geniessen zu können.
Bis ins Mittelalter, wurde die Holunderpflanze als Wunderstrauch angesehen.
In der damaligen Zeit zogen die Männer den Hut vor ihr.

moccalover - 31. Aug, 13:58

Wenn ich das nächste Mal einen Hut trage, werde ich daran denken! Vom Wunderstrauch blieb wohl nur der Wundersirup, aber der ist wirklich klasse! Und: Holunderviolette Hände sind ja immer noch besser als schwarzwurzelbraune!

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