Samstag, 19. November 2005

real eingebildet.

"Nahtoderfahrungen - ausserkörperliche Erfahrungen: Einbildung oder Realität? Gleich, auf diesem Sender!"

Einbildung oder Realität? Ich bitte Sie, meine Damen und Herren SendungsankündigerInnen! Wo soll denn da ein Unterschied begraben liegen, wie soll denn das eine ernstzunehmende Fragestellung sein?

Sprechen wir endlich über die Realität! Es ist doch so einfach. Es gibt eine Realität, es gibt etwas, sonst läsen Sie diese Zeilen hier nicht. Sonst sässen Sie nicht da vor Ihrem Schirm und spürten diese leichte Steifheit im Kreuz. Natürlich gibt es dafür weder Beweis noch Beleg; Sie sagen das ganz richtig: Ich führe Sie mit lebensnahen Beispielen gezielt in die selektiv wahrgenommene Irre, wie jedes amerikanisch angehauchte Sachbuch, das etwas auf sich hält. Aber, und das müssen Sie doch eingestehen, falls ich Unrecht hätte und ich selber, der Herr moccalover, Sie, diese Zeilen und die Welt hinter ihrem Nacken - wenn das alles nicht bestände, was genauso möglich ist, dann wäre doch auch diese Diskussion inexistent, und ihr Gegenstand erst recht höchst überflüssig, nichtig, gar nie dagewesen seiend. Wir würden jetzt nicht plaudern, wir könnten über nichts plaudern.

Darum, so schlage ich vor, gehen wir doch einfach freiwillig und ohne weitere Sicherheit davon aus, dass es da etwas gibt. In Ordnung? Und nun kommen wir zum zweiten Punkt. Was es da gibt, und wie es funktioniert, das wissen wir grundsätzlich überhaupt nicht. Es ist da, doch wir wissen nicht, was genau und wie genau. Und, da bin ich mir sicher, wir werden es nie auch nur im geringsten wissen. Wir sind Organismen im Etwas, die dieses Etwas in sich abbilden, ohne darüber wirklich etwas zu wissen, etwas wissen zu können. Die Organismen erfinden das Etwas neu; und dies allein auf der Grundlage von Sinneseindrücken, bei denen sie nach all der Menschheitsgeschichte endlich zur Überzeugung gekommen sind, dass sie weder lügen noch die Wahrheit sagen, sondern einfach unbekannte Störungen in bekannte Reize verwandeln.

Worin läge da noch der Sinn, über die Übereinstimmung von innerer (erkundbarer) und äusserer (per se unbekannter) Realität zu philosophieren, und wäre es nur in einem reisserisch aufgemachten Teaser eines in Wahrheit sachlichen, drögen und daher gemeinhin auch informativen Wissenschaftsfernsehformat? Finden wir uns doch lieber damit ab, und wenden wir uns der Realität zu, die wir uns in unseren Köpfen formen. Überprüfen wir sie nicht darauf, ob sie mit dem Äusseren, das zwar da ist, das wir indes niemals kennen werden, übereinstimme; fragen wir uns doch einfach, ob wir mit dieser unserer eigenen Realität etwas anfangen, ob wir darin Widersprüche und anschlussfähige Erkenntnisse finden, ob wir daraus vielleicht Lehren ziehen können.

Wir können doch, meine Damen und Herren SendungsankündigerInnen (und das müsste ungefähr Punkt drei sein), küssen, liebkosen, sorgen, vorkehren, einplanen und nachsehen; wir können doch sinnvoll handeln, ohne letzte Sicherheiten zu besitzen? Die Wahrnehmung vom Nahtod und die klägliche Erinnerung daran, sie sind doch Produkte unserer Innenwelt, die genausowenig zur Erkenntnis des Äusseren, des Spürbaren und doch Unbekannten, beitragen können wie unsere alltäglichsten Empfindungen. Warum sollte die Beschreibung dieses Erlebnisses wahrer sein als jene irgendeines Zeitungsständers? Oder unwahrer? Glauben Sie denn, dass dem oft beschriebenen Rückblick auf das eigene Leben, dem Schweben über dem eigenen Körper, dem gleissenden Licht in den Augen - dass dem allem tiefere Bedeutung für unser Leben zukomme als die Wahrnehmung, dass ein kranker Mensch auf der Strasse sitzt und friert?

Sie wollen mir Erkenntnis bringen über Leben und Tod; vielleicht auch bloss über die neusten Erforschungen der Gehirndurchleuchter. Ich weiss doch, ich weiss doch. Im Tod wird alles anders, und ich wäre der letzte, der behauptete, zu wissen, was kommt. Und ich weiss genauso, dass alles, was mich als Ich berührt, eng mit meinem Gehirn verknüpft ist und dass eine Nahtodhallzination neurologische Spuren erzeugt. Haben Sie wirklich gedacht, dass ich nicht wüsste, was ich alles träumen kann? Und was im Traum möglich ist, ist möglich im Sterben. Ich erwarte keine Hilfe von Ihnen, Sie stellen sich da Fragen, an denen Sie sich pulverisieren werden. Sie erwarten Klärung von aussen und sehen nicht, dass Sie ja doch nur von innen her schauen können.

Verstehen Sie denn noch immer nicht? Die Realität ist Einbildung, es ist alles in Ihrem Kopf; und das da draussen, das werden Sie und ich, das werden wir alle nie verstehen. Wir müssen uns ein willkürliches Weltkonzept wählen, als bewusste Wesen, und gäbe es ein besseres, so hätten wir es genommen.

Haben Sie denn das Gefühl, dass in Ihren doch unter allen Umständen letztlich kurzen Leben genügend Zeit und Übersicht vorhanden wäre, um die Wahrheit zu finden – einmal vorausgesetzt, das wäre überhaupt möglich? Packen Sie ein damit, und packen Sie an! Es gibt genügend zu tun, und genügend zu fragen, auch wenn man dabei nur nach innerer Übereinstimmung sucht. Und lassen Sie mich in Ruhe mit Geschichten, die mir die plötzlich im Unerklärlichen entdeckte, bahnbrechende und umfassende Wahrheit verheissen.

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nuusche

 

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