Keine Hochzeitskarte
Sie würde nicht mit ihrem Freund zusammenziehen, der natürlich auch da war, aber gerade nicht zugegen, als sie dies sagte; und sie sagte es auch nicht zu Max (wiewohl sie ihm direkt gegenüberstand), sondern zu einer der vielen anderen Frauen in der kleinen Wohnung. Es wäre einfach irgendwie noch vielleicht ein wenig zu früh. Max konnte es sehr gut hören, und sie musste wissen, dass er ihren Worten folgte, denn sie stand in all dem Lärm nahe genug, und er hatte in dieser Anfangsphase seiner Einbringung in die flüchtige Gruppe, die sich diesen Festabend teilen würde, ohnehin nichts anderes zu tun, als mit artigen kurzen Unterbrüchen immer wieder die ihre Freundin ansprudelnde Lucille zu betrachten, als wäre er auch Teilhaber dieses Informationsaustausches im Türrahmen.
Doch der Freund war da, und einmal mehr war Max erstaunt, wie dieses Bündel an Selbstverständlichkeit, das weder aus Schönheit noch aus Klugheit schöpfen konnte, in dieser ihrer Wohnung wohnte; herumhing und war, als ginge ihn nichts an - und als wäre er doch näher an allem als alle andern.
Sie musste den Freund sehr mögen; dieser Wahrnehmung konnte Max sich nicht erwehren. Wohl war sie in ihrer mächtigen physischen Präsenz so luftig, heilig und unergreiflich, wie Max sie immer empfunden hatte. Sicher, sie war fröhlich und einnehmend, direkt und unverfälscht - wie immer. Ihr Geheimnis muss es sein, nicht zu wissen, wie anders sie ist, dachte Max, als er auf der Toilette eine Pause vom Rummel genoss, rauchte, tief ausatmete und seinen sausenden Ohren lauschte. Sie ist geplagt wie wir alle, und doch sieht sie nicht, dass die Plage sie nicht zu beschweren vermag und sie dabei all ihr Vertrauen behält. Wie er da sass und nicht mehr aufstehen mochte, wie er die Türe nicht mehr öffnen und sich wieder dem allseitigen Blick der anderen Besucher aussetzen mochte, lösten sich in seinen Überlegungen über ihre Selbstvergessenheit, in seiner Selbstaufgabe in diesem engschmalen Raum mit vanillegelben Kacheln, alle Fragen auf. Dass der Freund nicht zu ihr passte, entflog seinen Ideen, und dass die Dinge so sein durften, beherrschte ihn sekündlich stärker. Sie musste ihre Gründe haben - Gründe, die bei ihm vor all der Reflektion dieser Welten, vor all dem Ausloten und Taktieren in den Leben schon lange geflohen sein mussten.
Max fühlte an diesem Abend auch nach ein paar Gläsern Malaga nicht viel, und nicht einmal das anfangs träge Fortschreiten der Zeit konnte ihn auf Dauer beschäftigen. Er zerfloss derart in seiner Hingabe an Gegebenheiten, dass er nicht bemerkte, wie die Uhr beim Abschied mehr als vier Stunden nach der Zeit anzeigte, die er sich zumindest vorgenommen hatte. Auf dem Heimweg überquerte er erleichtert die Brücke, schlenderte mutwillig torkelnd auf dem breiten Trottoir und blickte mit einem Lächeln zu den gelben Lampen hinauf. Wenn nur mehr das Bett wartet, dachte er, und man durch die Nacht schreitet - wenn die Stadt dabei so ruhig ist, dass man sie nicht mehr kennt, und wenn die Lampen über der Strasse, in den Schriftzügen und an Automaten einem treu den Weg leuchten, dann wäre man glücklich, fühlte man nicht eine kleine Amputation.
[s. auch hier]
Doch der Freund war da, und einmal mehr war Max erstaunt, wie dieses Bündel an Selbstverständlichkeit, das weder aus Schönheit noch aus Klugheit schöpfen konnte, in dieser ihrer Wohnung wohnte; herumhing und war, als ginge ihn nichts an - und als wäre er doch näher an allem als alle andern.
Sie musste den Freund sehr mögen; dieser Wahrnehmung konnte Max sich nicht erwehren. Wohl war sie in ihrer mächtigen physischen Präsenz so luftig, heilig und unergreiflich, wie Max sie immer empfunden hatte. Sicher, sie war fröhlich und einnehmend, direkt und unverfälscht - wie immer. Ihr Geheimnis muss es sein, nicht zu wissen, wie anders sie ist, dachte Max, als er auf der Toilette eine Pause vom Rummel genoss, rauchte, tief ausatmete und seinen sausenden Ohren lauschte. Sie ist geplagt wie wir alle, und doch sieht sie nicht, dass die Plage sie nicht zu beschweren vermag und sie dabei all ihr Vertrauen behält. Wie er da sass und nicht mehr aufstehen mochte, wie er die Türe nicht mehr öffnen und sich wieder dem allseitigen Blick der anderen Besucher aussetzen mochte, lösten sich in seinen Überlegungen über ihre Selbstvergessenheit, in seiner Selbstaufgabe in diesem engschmalen Raum mit vanillegelben Kacheln, alle Fragen auf. Dass der Freund nicht zu ihr passte, entflog seinen Ideen, und dass die Dinge so sein durften, beherrschte ihn sekündlich stärker. Sie musste ihre Gründe haben - Gründe, die bei ihm vor all der Reflektion dieser Welten, vor all dem Ausloten und Taktieren in den Leben schon lange geflohen sein mussten.
Max fühlte an diesem Abend auch nach ein paar Gläsern Malaga nicht viel, und nicht einmal das anfangs träge Fortschreiten der Zeit konnte ihn auf Dauer beschäftigen. Er zerfloss derart in seiner Hingabe an Gegebenheiten, dass er nicht bemerkte, wie die Uhr beim Abschied mehr als vier Stunden nach der Zeit anzeigte, die er sich zumindest vorgenommen hatte. Auf dem Heimweg überquerte er erleichtert die Brücke, schlenderte mutwillig torkelnd auf dem breiten Trottoir und blickte mit einem Lächeln zu den gelben Lampen hinauf. Wenn nur mehr das Bett wartet, dachte er, und man durch die Nacht schreitet - wenn die Stadt dabei so ruhig ist, dass man sie nicht mehr kennt, und wenn die Lampen über der Strasse, in den Schriftzügen und an Automaten einem treu den Weg leuchten, dann wäre man glücklich, fühlte man nicht eine kleine Amputation.
[s. auch hier]
moccalover - 20. Sep, 21:19
geht sie
ja Du