Dienstag, 11. Oktober 2005

mittendrin

Manche wagen sich noch im T-Shirt auf die Strasse. Manche haben sich schon in warme Tücher gehüllt. Die Strassenplätze der Restaurants sind gut besetzt. Niemand weiss, ob das der letzte warme Abend sein wird. Oranges Sonnenlicht schiesst waagerecht durch die Gassen und prallt auf Wände, Fensterglas und Werbeschilder. Ich war im Photogeschäft, im Tabak- und im Plattenladen. Habe fünf Filme und meine Adresse hinterlassen, habe beteuert, dass ich die schwarzumrandeten Aufschriften nicht mehr wahrnehme, habe ein paar Megabytes warmer Klänge gekauft. Nun schlecke ich Reste aus Satz und kaffeegetränktem Zucker vom Löffel.

Ich sitze nicht alleine am Tisch, er war vor mir schon besetzt. Die Frau ist aufgebracht, lacht aber viel und gequält, um das zu verbergen. Seine Stimme verstehe ich nicht, sie ist tief und geht im Verkehrslärm auf. Sie erzählt von einem, der nicht da ist, der vielleicht nicht mehr da sein wird für sie. Der war zusammengezuckt und hatte schwer traurig, schwer beleidigt betont, dass sie genau wisse, dass er sich in keine Ecke drängen lasse. Dabei hatte sie bloss wissen wollen, was sie denn hätten; ob vielleicht eine Affäre, und was er unter sowas genau verstehe. Das war fällig, und zumutbar, schliesslich sind sie beide bald vierzig, und das läuft nun seit zwei Jahren schon in der Weise. Überhaupt kann sie sein Verdrängen nicht mehr ertragen, fast jeden Abend haut er sich den Kopf weg.

Ich folge noch ein wenig; es kostet die Frau viel Kraft, sich von ihm abzuschichten. Sie versucht es, indem sie vorgibt, längst schon so weit zu sein. Dann verliere ich mich wieder, weil mich das geheimnisvoll abendbeleuchtete Menschengewühl fesselt, das sich in rhythmischer Periodik unter der Ampel versammelt und über die Strasse fliesst. Ich sitze verdattert in dieser Überfülle von Beziehungen, Bewegungen, Lauten, Farben und Zeichen, und für mich selber werde ich hierin eine Weile lang ein einziger körperloser Punkt.

kieselsteingeräusche III

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nuusche

 

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