Montag, 12. September 2005

Glücklich

Es war eine sehr farbige Zeit, alles war intensiv, die Geräusche, die Gefühle, die Gerüche und Gespräche. Wir liefen alle plötzlich mit diesen Dingern herum. Und natürlich haben wir gelacht, manchmal waren wir glücklich. Wir sahen sie ohnehin schon lange nicht mehr, die grauen Betonwände unserer Strassen und Plätze, wir achteten schon lange nicht mehr auf die Schmieren darauf. Aber wenn wir hingesehen, wenn wir die Wände betrachtet hätten, wären wir auch davon noch entzückt gewesen. Wir hörten Musik, wir reisten in fremde Länder, wir feierten ausgelassene Feste, wir fochten wilde Schlachten und lebten die wahre Liebe. Alles mit diesen kleinen Geräten. Es war überwältigend neu, es war hinreissend schön. Wir sogen diese Welt in uns hinein, sie machte uns kreativ und stark, weil unsere Gedanken mit einflossen in das Gerät. Wir verstanden uns alle und machten alles zusammen, wir glaubten an die Möglichkeiten. Das machte uns glücklich. Man konnte sie ja ausschalten, ausstecken und wegsperren, die Apparätchen. Damals. Man konnte sie wegwerfen, man konnte sie verachten, und man konnte auch glauben, es gäbe sie nicht. Damals konnte man ohne diese Dinger über die Strasse gehen, im Kino sitzen, im Park spazieren. Man musste sich noch nicht einmal den Chip einbauen lassen. Man konnte alles ohne die Geräte tun; und bald konnte man alles mit ihnen tun; und dann waren sie in uns. Und natürlich waren wir manchmal glücklich.

Max am Grab

Max steht auf fauligem Laub vor dem Grab. Sein Gang hat ihn hierhergetrieben, sein ewig nervöser Schritt, der heute Abend nicht ruhen mag. „Warum klagt ihr? Ihr beschwert euch doch nicht, dass die Berge da stehen, wo sie stehen? Weshalb denkt ihr, alles Leben sei lang? Die Eiche steht vielleicht hier für beinah immer, doch die Sonnenblume knickt sich nach einem Sommer schon, und tausend Eichsprösslinge wurden nicht einmal so alt. Dies Leben war immer nur auf kurze Zeit bestimmt.“ Max drückt sich mit seinen steif gestreckten Armen die Handknöchel noch tiefer in die Hosentaschen und zieht seinen zwischen den Schultern eingeklemmten Kopf krampfhaft zur Seite. Du hast immer recht, du bist nicht mehr da; aber du irrst dich, du wolltest es einfach so. Es war dir nicht einfach so bestimmt. Du wolltest es nicht anders, aber wir hätten dich gebraucht. Und Max starrt auf den Stein mit der Inschrift. Schliesslich gibt er auf, rührt sich als Erster und geht. In seinen Gedanken auf dem Weg zum Tor beschleunigt er seine Schritte über den feinen Kies immer mehr, weicht einer Schubkarre mit einer grünen Giesskanne und einem Rechen darin nur knapp aus und hält unvermittelt inne, dreht sich um und blickt zurück zum Grab. Es liegt schon weit hinten, und der Abendnebel hat sich in die Bäume auf dem Weg dahin gelegt, so dass Max in eine flimmernde Ferne blinzelt.

Zurück aus

Brennt euch noch ein auf meiner Netzhaut, ihr Farben, ihr schroffe Formen, prägt euch tief in meine Sinne. Legt euch wie ein Rausch so süss auf all meine Blicke; überlagert und besänftigt die Eindrücke, die ich morgen, übermorgen in mich hole. Färbt meinen Alltag, erhellt mir den Winter. Kräftigt mich mit eurer Unbeirrtheit und wärmt stetig meine Adern.

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nuusche

 

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