Nachterkenntnis
Und sie sassen da; der Junge neben dem Älteren. Sie blickten in die Nacht und warteten darauf, dass die Wolken ein Loch in sich reissen würden, um die Sterne freizugeben. Dicke Tropfen fielen aus der undichten Dachrinne auf den Tisch, und von da aus flogen sie in die Gesichter weiter. Die beiden Männer rauchten, und der Junge schlang die Arme um die hochgezogenen Beine, weil er zitterte. Er fühlte sich schuldig. Wie grelles Neonlicht, das die schwere Erhabenheit der Nacht zerreisst, schien ihm auf, dass er falsch gelegen hatte. Der Ältere würde bald sterben und litt schwer daran. Doch zur Abwehr lebte er noch fester und bat manchmal darum, dass es nun endlich geschehe. Oder er versuchte, sonst darüber zu lachen, wie über eine Zahnlücke, die man nun einmal hat. Der Jüngere aber warf sich vor, seinen Tod immer gewünscht zu haben, sein halbes Leben lang. Ihm wurde bewusst, dass er seine Meinung zu spät geändert hatte und nichts mehr abzuwenden vermochte. Zu spät war es dazu gekommen, dass sie hier sassen, redeten, von der nahen Zukunft wussten, kein Wort darüber verloren und sich mochten.
moccalover - 15. Sep, 21:34
"In diesen Sekunden Liebe gegeben, liebevolle Worte gesprochen, Vergebung angenommen, machen viele Jahre wieder wett, die nicht so schön waren." - Wunderschön!