nah.
„Ich wollte einfach ihre Nähe spüren. Ich hatte überhaupt kein Bedürfnis nach mehr als nur diesem Gefühl der warmen, wohlriechenden Nähe; bloss für ein paar Stunden, nicht länger. Ich wollte sie umarmen, keinesfalls jedoch küssen; ich wollte sie spüren, nicht aber berühren. Ich war mir sicher, nie unter auch nur vergleichbar starkem Verlangen gestanden zu haben.“ – „Ich glaube dir kein einziges Wort, Max, du magst ein guter Rhetoriker sein, und auch deine poetische Ader ist nicht weit davon entfernt, mehr als nur poetische Kapillare genannt werden zu dürfen. Aber ich glaube dir nicht, du warst einfach scharf, oder du hast dich vorübergehend verliebt, das ist alles. Wenn man scharf ist, und wenn man zugleich kultiviert ist, dann verhüllt man es in schöne Worte und fühlt sich dabei mitunter erhaben. Und wenn man verliebt ist, schwört man sich sogar selber, nie, aber auch gar nie, mit dem Objekt des Liebesdranges körperlich werden zu wollen. Mehr noch als von seiner eigenen Existenz ist man dann überzeugt, dass es der rauen Körperlichkeit überhaupt nicht bedürfe, nicht dieses Mal, denn dieses sei besonders und stehe über allem Irdischen.“
Max blickte durch die ehemalige Schaufensterscheibe auf die Strasse, wo der Feierabendverkehr abschwoll. Der Asphalt war nass und widerspiegelte die farbigen Lichter der Autos und der Ampeln. Max hob den Kopf, suchte im Spiegelbild der Scheibe nach der Bedienung hinter der Bar und nickte ihr zu, dass sie kommen solle. Er bestellte mürrisch zwei weitere Gläser ungefiltertes Bier und blickte wieder durch die Scheibe, ohne dass er Gerd bei alledem angesehen hätte.
„Ich wollte nur in dieser Nacht, in der ich nicht zum Schlafen kam, jemanden bei mir haben, an den ich mich abgeben könnte und der mich auch aufnähme“, begann Max wieder, immer noch zur Scheibe gewandt. „Ich wollte auf keinen Fall plötzlich allein sein, und nach der langen Nacht, in der wir nur gekocht haben und uns so rasch kennenlernten, lag für mich nichts näher, als in ihre Arme zu liegen. Glaubst du, ich würde dir von all dem erzählen, wenn mich das nicht so beschäftigte?“ – „Ich glaube dir wohl, dass es dich beschäftigt, zumal es ja nun bald vier Monate her sein wird.“ – „Eben, und es würde mich nicht beschäftigen, wäre es blosse Geilheit gewesen, denn diese klingt bekanntlich binnen Stunden wieder ab. Und hätte ich mich verliebt, hätte ich sie in den letzten vier Monaten wahrscheinlich angerufen, dann unzählige Male getroffen und schliesslich geheiratet; und auf jeden Fall hätte ich sie zumindest dreimal angerufen.“ – „Nun, ich will dich auch nicht festnageln, deine Alibis sind gut konstruiert. Von meiner Meinung bringst du mich aber trotzdem nicht ab. Ich bleibe dabei, du hast ein kindliches Verhältnis zu den Frauen, und du wirst deine Gefühle nie recht verstehen können.“
Max leerte sein Glas mit ruhigen, grossen Schlücken und stellte es theatralisch auf den Filz, so dass die Tischplatte ein trockenes Klopfen von sich gab. „Wenn wir nicht… ich würde dich… Ach, was soll es, ich mag dich ja trotzdem. … Du, du hast kein Gefühl, du bist das. Du verstehst dich nur auf ganze Noten, und das auch ausschliesslich in Dur. Und wenn du auch recht haben magst mit all deinen Mutter-Sohn-Theorien, es ändert nichts. Ich wollte nur für einen Moment lang spüren, dass es wirklich stimmt, dass wir alle Menschen sind und als solche nicht so weit voneinander entfernt, wie man manchmal meinen könnte. Ich wollte bloss in der Zeit zwischen Nacht und Morgen, in der nichts gilt und alles vergessen wird, diese Nähe erleben. Darum weiss ich auch nicht, warum ich es Anna hätte erzählen sollen.“ Auch jetzt sah Max nicht zu Gerd, sondern hielt seinen Blick starr auf seinen rechten Zeigefinger gerichtet, mit dem er aus dem Glas den Bierschaum strich und zu seinem Mund führte. „Ja, es stimmt, sie war damals beruflich sehr ausgelastet. Lassen wir es, Gerd, komm, wir gehen noch eins weiter.“
Max blickte durch die ehemalige Schaufensterscheibe auf die Strasse, wo der Feierabendverkehr abschwoll. Der Asphalt war nass und widerspiegelte die farbigen Lichter der Autos und der Ampeln. Max hob den Kopf, suchte im Spiegelbild der Scheibe nach der Bedienung hinter der Bar und nickte ihr zu, dass sie kommen solle. Er bestellte mürrisch zwei weitere Gläser ungefiltertes Bier und blickte wieder durch die Scheibe, ohne dass er Gerd bei alledem angesehen hätte.
„Ich wollte nur in dieser Nacht, in der ich nicht zum Schlafen kam, jemanden bei mir haben, an den ich mich abgeben könnte und der mich auch aufnähme“, begann Max wieder, immer noch zur Scheibe gewandt. „Ich wollte auf keinen Fall plötzlich allein sein, und nach der langen Nacht, in der wir nur gekocht haben und uns so rasch kennenlernten, lag für mich nichts näher, als in ihre Arme zu liegen. Glaubst du, ich würde dir von all dem erzählen, wenn mich das nicht so beschäftigte?“ – „Ich glaube dir wohl, dass es dich beschäftigt, zumal es ja nun bald vier Monate her sein wird.“ – „Eben, und es würde mich nicht beschäftigen, wäre es blosse Geilheit gewesen, denn diese klingt bekanntlich binnen Stunden wieder ab. Und hätte ich mich verliebt, hätte ich sie in den letzten vier Monaten wahrscheinlich angerufen, dann unzählige Male getroffen und schliesslich geheiratet; und auf jeden Fall hätte ich sie zumindest dreimal angerufen.“ – „Nun, ich will dich auch nicht festnageln, deine Alibis sind gut konstruiert. Von meiner Meinung bringst du mich aber trotzdem nicht ab. Ich bleibe dabei, du hast ein kindliches Verhältnis zu den Frauen, und du wirst deine Gefühle nie recht verstehen können.“
Max leerte sein Glas mit ruhigen, grossen Schlücken und stellte es theatralisch auf den Filz, so dass die Tischplatte ein trockenes Klopfen von sich gab. „Wenn wir nicht… ich würde dich… Ach, was soll es, ich mag dich ja trotzdem. … Du, du hast kein Gefühl, du bist das. Du verstehst dich nur auf ganze Noten, und das auch ausschliesslich in Dur. Und wenn du auch recht haben magst mit all deinen Mutter-Sohn-Theorien, es ändert nichts. Ich wollte nur für einen Moment lang spüren, dass es wirklich stimmt, dass wir alle Menschen sind und als solche nicht so weit voneinander entfernt, wie man manchmal meinen könnte. Ich wollte bloss in der Zeit zwischen Nacht und Morgen, in der nichts gilt und alles vergessen wird, diese Nähe erleben. Darum weiss ich auch nicht, warum ich es Anna hätte erzählen sollen.“ Auch jetzt sah Max nicht zu Gerd, sondern hielt seinen Blick starr auf seinen rechten Zeigefinger gerichtet, mit dem er aus dem Glas den Bierschaum strich und zu seinem Mund führte. „Ja, es stimmt, sie war damals beruflich sehr ausgelastet. Lassen wir es, Gerd, komm, wir gehen noch eins weiter.“
moccalover - 24. Jan, 23:30
vielleicht