Samstag, 8. August 2009

wie wenn.

Hannes findet, dass es, wenn man Drogen kaufe, oder, wie er sagt, nicht-legale Substanzen erwerbe, doch recht ähnlich sei mit dem, was früher zu erleben gewesen sei, wenn man mit knapp achtzehn mal im Sexshop herumspaziert sei, die Hände in den Hosentaschen, natürlich zu den Hüftknochen hinaus gespreizt, so dass sie zwar versorgt waren, eine auch nur imaginäre Verbindung zwischen Händen und Schoss aber gleichwohl ganz ausgeschlossen war, und man dann, nachdem man beiläufig eine Videokassette oder ein A5-Magazin ergriffen hatte, bei der Kasse bezahlt hatte, als wäre man der Naturstammkunde dieses Etablissements überhaupt, dass es also, wenn man Drogen, oder eben unerlaubte Substanzen, kaufe, doch recht ähnlich sei. Man interessiere sich wie sonst nie für die Umwelt, und man werde paranoid, wie man es mit dem abartigsten Mittel, das gerade erhältlich sei, das Was-weiss-ich-noch-wie-das-hiess-ol, oder -yl, oder doch vielleicht -xylen, niemals werden könnte. Man fühle sich als der schändliche Mittelpunkt der Welt, auf den alle gucken und gaffen, und noch der normalste Griff nach dem Hut, ob er noch der Mode entsprechend auf dem Kopf aufsitze, werde schon bei der Ausführung zum Problem, zum Problematicum und zu einer Wissenschaft, wie er denn ausgeführt worden sei, und was das jetzt mit Bezug auf das konkrete Verhalten am fraglichen Ort auf sich haben könnte. Man integriere, so Hannes, den Rauschmittelfahnder gleich in sich, und man denke auch all dessen mögliche Gedanken, und man spüre dabei, wie er den Griff an den Hut, das Versorgen des Geldbeutels und den zwanghaft beiläufigen Blick über die Schulter auf den eigenen Rucksack in ihrer grundsätzlichen Sinnlosigkeit mit röntgenstrahlenhafter Klarheit analysiert und als Zusammenspiel der nervösen Reaktionen des zumindest resthaft sich seines getanen Unrechts bewussten Bürgers entlarvt. Was man auch immer tue, und vor allem: je mehr man überhaupt tue, desto mehr komme es einem vor, als sei allen anderen noch vor einem selber klar, dass man das Richtige vermieden und deshalb das Falsche getan habe. Genau wie damals, als man fürchtete, schon allein die Tatsache, dass die Videokassette mit den kleiderlosen Frauen und Männern sich nun in der Tasche befindet und dass das, zumindest im ersten Gespräch darüber, niemand aus dem persönlich bekannten Umfeld gutheissen oder auch nur gleichgültig übergehen würde, dass schon diese Tatsache einen zu den ungewöhnlichsten Verhaltensweisen zwang, nur um gewöhnlich zu wirken; genau wie damals, als fast alles verboten war, von dem man glaubte, dass es die Freiheit erst ausmache. – Du musst Dich verhalten, wie es sich gebührt, oder Du musst den Mut entwickeln, um danach ruhig die Strasse hinunter zu gehen, als wärst Du im Recht, als wärst Du der beste Mensch von allen (sagte hier Hannes’ Freund). Es ist wirklich nicht im geringsten konsequent und verständlich, wenn Du dauernd Situationen provozierst, in denen Du alle Ehre, wie sie sich heutzutage eben zusammensetzt und in Deinen Kreisen versteht, verlieren könntest, Du aber zugleich Dir selber nicht die Ehre erweisest, Dir einmal einzugestehen, dass Du mit dieser Ehre sehr gerne und ganz absichtlich auf ein gefährliches Spielfeld ziehst, und dass Du nicht wirklich den Verlust einberechnest: Wärest Du ehrlich, dann wärest Du ruhig. Und wenn es schief ginge, dann trügest Du die Folgen als einer, der sie gekannt, der sie gefürchtet, aber der sie in Kauf genommen hat. Dann wären die Folgen nichts Fürchterliches mehr, wenn sie denn kämen; und vor allem wären sie nichts mehr, das Dich davon abhielte, ruhig die Strasse hinunter zu gehen, denn wenn Du Dich wirklich für die Inkaufnahme entschieden hättest, dann gehörten sie als normales Problem, und nicht mehr als mit allen Mitteln zu verhindernder, letztlich aber tödlicher Ausnahmezustand zu Dir. – Das mag sein, nur verkennst Du das Spiel (sagte daraufhin Hannes): Sexshops reizen mich nicht, ich habe den grössten davon zuhause in meiner Breitbandleitung. Was mich zieht, ist die Berührung mit dem wirklichen Leben, jenseits von dem, was ich ohnehin schon habe. Ich weiss, dass es hart ist, das wirkliche Leben, das die anderen führen, und ich mache ja alles, damit meines nicht dahinkommt, aber je mehr ich das tue, desto mehr auch brauche ich diese Sicht aufs Brachiale, aufs unkontrolliert Flimmernde und Flackernde, aufs Steigen wie aufs Fallen. Ich könnte tausend Rauschmittelhändler haben, die mich auf diskretestem Weg versorgen, und doch wäre es gerade dies, was mir meinen Genuss verdärbe. Ich bin reich und abgesichert, und nichts kann mich gefährden – ausser, dass ich mich mit dieser Welt in zwanghafte Verbindung setze, die Sicherheit und Schutz nicht kennt. Wo sonst soll ich denn das Leben finden? – Hannes konnte sehr überzeugend sein, und noch mehr konnte man müde sein, wenn er erst einmal angefangen hatte, sich und seine Verhaltensweisen, geschweige denn seine Marotten, zu verteidigen (das sah Hannes’ Freund ein).

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