betrachtungen im anzug.
Ich gehöre ja auch zu denen, die das eine sagen und dann doch das andere tun. Zum Beispiel hätte ich früher, wäre ich je explizit darauf angesprochen worden, mit flammender Begeisterung (verdeckt durch begeistert vorgetragene Abscheu) kundgetan, dass ich nie Anzüge tragen würde. Denn die Anzüge, und besonders die weissen Hemdkragen, die werden von den Bösen und den Ignoranten getragen. Anzüge sind natürlich tatsächlich ein zur Pflicht, ein zur Alltäglichkeit verkommener, übertriebener Luxus. Eine Hülle aus viel zu feinem Stoff, die vor körperlicher Arbeit zurückscheuen lässt und dabei zur Schau stellt, dass man es sich leisten kann, heikel zu sein. Getragen zu den verschiedensten Zwecken, doch immer mit der Absicht, ein bestimmtes (und doch nicht allzu bestimmbares) Bild abzugeben.
Nun, heute trage ich aus verschiedenen Gründen immer häufiger Anzüge, und zunächst muss ich zugeben, dass ich das mittlerweile auch gerne tue und es seine Besonderheit für mich im Übrigen weitgehend verloren hat. Ich komme nicht einmal umhin zu sagen, dass es sich bei den Anzugskombis mit Ausnahme der Krawatten um überaus bequeme und angenehm zu tragende Kleidungsstücke handelt. Natürlich bin ich noch nicht ganz weggerückt von meinen früheren Aversionen, und wenn ich Jeans trage, kommt die Abneigung auch wieder stärker hervor. Dann blicke ich immer noch ein wenig verächtlich auf die Herren im feinen Tuch, die sich wohl für etwas Besseres halten (besonders wenn sie, die doch die Harten spielen, rosafarbene Krawatten tragen).
Anzüge sind heikel, verzeihen keine Spritzer und keine légère Sitzhaltung; sie erinnern sich an alles und wollen mit aller Sorgfalt behandelt werden. Diese Arroganz, viel zu teuren Stoff auf der Strasse herumzutragen, kann mich heute noch nerven. Das aber, wie gesagt, nur dann, wenn ich billiggekleidet unterwegs bin (was ich immer noch oft bin). Wenn ich selber in der Schale stecke, dann halte ich mir immer entgegen, dass ich das schliesslich nicht zum Spass täte.
Ganz gewöhnt habe ich mich an die Kluft noch nicht. Man ist in diesem Zusammenhang vor vielerlei Probleme gestellt. Man bedarf längerer Zeit als sonst, um sich anzuziehen. Man will sich Mühe geben, zu dienstleistungserbringenden Menschen besonders freundlich zu sein, weil man befürchtet, dass zuvor viele Anzugträger besonders arrogant waren. Man kann sich die Nase auch dann nicht mit dem Ärmel abwischen, wenn gerade niemand zusieht (man würde das auf den feinen Stoffen leicht entdecken). Man muss gerade sitzen, weil der Anzug nur so bequem ist, nur so keine übermässigen Rümpfe zurückbehält, und weil einem alles andere einfach unpassend vorkäme. Man muss die Farbtöne sehr sorgfältig aufeinander abstimmen, weil die meisten heute wissen oder ahnen, dass die dominante Farbe der Krawattenstreifen sich in einer der Hemdfarben wiederfinden oder mit einer harmonieren sollte. Man kann sich zum Mittagessen nicht einfach auf einen Stein setzen, zum See hinausblicken und am Schluss die Finger an den Oberschenkeln abwischen. Anzüge verzeihen nicht, und wenn man sich nicht unzählige davon leisten kann, tut man gut daran, diese Regel (und viele weitere) zu respektieren. Anzüge verlangen überhaupt viel; zumal dann, wenn man sie nie ganz emotionslos betrachten konnte.
Zu alledem kommt nun noch das, was ich zu Beginn schon ansprach: Währenddem ich überzeugt bin, dass ein Mensch einheitlich (das heisst: gleich unter allen Umständen) sein und handeln sollte, und ich auch glaube, dass mir die Befolgung dieses Anspruches recht gut gelinge, merke ich doch (und kann es mir nicht verheimlichen), dass meine Kleider mich verändern. Ich werde nie das Gefühl los (und der sanfte Druck der Krawattenschlinge um meinen Hals hindert mich daran, dieses Gefühl auch bloss eine Sekunde zu vergessen), dass der Anzug mich fordert, dass ich besonderen Verhaltensregeln genügen müsse, wenn ich ihn trage.
Als halbe Ausrede mag hier dienen, dass mir die Welt tatsächlich auch anders begegnet, wenn ich (wie unsere östlichen Nachbarn gern sagen) g’sackelt daherschreite. Sie sind freundlicher, distanzierter, und manchmal auch formeller. Viele mögen sich beim Anblick der feinen Kleidung ob meines wohl noch immer jung scheinenden Gesichtes vielleicht wundern, doch befürchte ich dann, dass sie mir gerade deswegen besondere Künste oder Verdienste zuschreiben, wenn ein Junge schon so daherkommt. Oder, und das fürchte ich weitaus häufiger, dass sie mich für einen Aufschneider halten. Beides jedenfalls spornt mich nur an, mich besonnen und korrekt zu bewegen. Als müsste ich einen ganzen Staat repräsentieren, will ich die Erwartungsvollen nicht enttäuschen - und die düsteren Vermutungen der Argwöhnischen (die in mir vielleicht einen neureichen, der Biederkeit verfallenen Drogenhandelsgeschäftsleiter sehen) will ich gleichzeitig Lügen strafen.
Ohne dass ich das je gewollt hätte, noch guthiesse noch zu verteidigen vermöchte, verhalte ich mich in Anzügen (also recht oft) so, wie ich mir standesgemässes Verhalten aus meinem Blickwinkel heraus eben vorstelle. Und ja: Ich habe heute ein beinahe unverschämt hohes Trinkgeld gegeben, als könnte ich mir das leisten. Und wurde mir bewusst, einmal mehr auf billigste Weise ein liebes Lächeln gekauft zu haben. Dabei war ich wirklich guter Laune und freute mich über die angenehme Bedienung.
Nun, heute trage ich aus verschiedenen Gründen immer häufiger Anzüge, und zunächst muss ich zugeben, dass ich das mittlerweile auch gerne tue und es seine Besonderheit für mich im Übrigen weitgehend verloren hat. Ich komme nicht einmal umhin zu sagen, dass es sich bei den Anzugskombis mit Ausnahme der Krawatten um überaus bequeme und angenehm zu tragende Kleidungsstücke handelt. Natürlich bin ich noch nicht ganz weggerückt von meinen früheren Aversionen, und wenn ich Jeans trage, kommt die Abneigung auch wieder stärker hervor. Dann blicke ich immer noch ein wenig verächtlich auf die Herren im feinen Tuch, die sich wohl für etwas Besseres halten (besonders wenn sie, die doch die Harten spielen, rosafarbene Krawatten tragen).
Anzüge sind heikel, verzeihen keine Spritzer und keine légère Sitzhaltung; sie erinnern sich an alles und wollen mit aller Sorgfalt behandelt werden. Diese Arroganz, viel zu teuren Stoff auf der Strasse herumzutragen, kann mich heute noch nerven. Das aber, wie gesagt, nur dann, wenn ich billiggekleidet unterwegs bin (was ich immer noch oft bin). Wenn ich selber in der Schale stecke, dann halte ich mir immer entgegen, dass ich das schliesslich nicht zum Spass täte.
Ganz gewöhnt habe ich mich an die Kluft noch nicht. Man ist in diesem Zusammenhang vor vielerlei Probleme gestellt. Man bedarf längerer Zeit als sonst, um sich anzuziehen. Man will sich Mühe geben, zu dienstleistungserbringenden Menschen besonders freundlich zu sein, weil man befürchtet, dass zuvor viele Anzugträger besonders arrogant waren. Man kann sich die Nase auch dann nicht mit dem Ärmel abwischen, wenn gerade niemand zusieht (man würde das auf den feinen Stoffen leicht entdecken). Man muss gerade sitzen, weil der Anzug nur so bequem ist, nur so keine übermässigen Rümpfe zurückbehält, und weil einem alles andere einfach unpassend vorkäme. Man muss die Farbtöne sehr sorgfältig aufeinander abstimmen, weil die meisten heute wissen oder ahnen, dass die dominante Farbe der Krawattenstreifen sich in einer der Hemdfarben wiederfinden oder mit einer harmonieren sollte. Man kann sich zum Mittagessen nicht einfach auf einen Stein setzen, zum See hinausblicken und am Schluss die Finger an den Oberschenkeln abwischen. Anzüge verzeihen nicht, und wenn man sich nicht unzählige davon leisten kann, tut man gut daran, diese Regel (und viele weitere) zu respektieren. Anzüge verlangen überhaupt viel; zumal dann, wenn man sie nie ganz emotionslos betrachten konnte.
Zu alledem kommt nun noch das, was ich zu Beginn schon ansprach: Währenddem ich überzeugt bin, dass ein Mensch einheitlich (das heisst: gleich unter allen Umständen) sein und handeln sollte, und ich auch glaube, dass mir die Befolgung dieses Anspruches recht gut gelinge, merke ich doch (und kann es mir nicht verheimlichen), dass meine Kleider mich verändern. Ich werde nie das Gefühl los (und der sanfte Druck der Krawattenschlinge um meinen Hals hindert mich daran, dieses Gefühl auch bloss eine Sekunde zu vergessen), dass der Anzug mich fordert, dass ich besonderen Verhaltensregeln genügen müsse, wenn ich ihn trage.
Als halbe Ausrede mag hier dienen, dass mir die Welt tatsächlich auch anders begegnet, wenn ich (wie unsere östlichen Nachbarn gern sagen) g’sackelt daherschreite. Sie sind freundlicher, distanzierter, und manchmal auch formeller. Viele mögen sich beim Anblick der feinen Kleidung ob meines wohl noch immer jung scheinenden Gesichtes vielleicht wundern, doch befürchte ich dann, dass sie mir gerade deswegen besondere Künste oder Verdienste zuschreiben, wenn ein Junge schon so daherkommt. Oder, und das fürchte ich weitaus häufiger, dass sie mich für einen Aufschneider halten. Beides jedenfalls spornt mich nur an, mich besonnen und korrekt zu bewegen. Als müsste ich einen ganzen Staat repräsentieren, will ich die Erwartungsvollen nicht enttäuschen - und die düsteren Vermutungen der Argwöhnischen (die in mir vielleicht einen neureichen, der Biederkeit verfallenen Drogenhandelsgeschäftsleiter sehen) will ich gleichzeitig Lügen strafen.
Ohne dass ich das je gewollt hätte, noch guthiesse noch zu verteidigen vermöchte, verhalte ich mich in Anzügen (also recht oft) so, wie ich mir standesgemässes Verhalten aus meinem Blickwinkel heraus eben vorstelle. Und ja: Ich habe heute ein beinahe unverschämt hohes Trinkgeld gegeben, als könnte ich mir das leisten. Und wurde mir bewusst, einmal mehr auf billigste Weise ein liebes Lächeln gekauft zu haben. Dabei war ich wirklich guter Laune und freute mich über die angenehme Bedienung.
moccalover - 24. Jan, 23:30
stimmt
Zum Glück gibt es noch Männer in Schale.
und ich dachte immer
@la-mamma: Ja, die Auswahl ist einfach, und ich gestehe, ich geniesse dieses Privileg. Und wenn eine Frau keine Lust auf ausgefallene Kleidung hat, ist mir das auch recht.