Grundlegendes

Donnerstag, 20. April 2006

kraft.

Es gibt ein Phänomen, das man psychologische Auslagerung nennen könnte. Weil Menschen, mit denen man zu tun hat, gewisse Gemüts- und Gefühlszustände haben und pflegen, können manche nicht umhin, sich genau hierin einen Anlass zu nehmen, ebendiese Zustände nicht auszuleben, auch wenn sie das Bedürfnis dazu eigentlich verspürten. So kommt es, dass die einen aus der anderen Furcht, Trauer und Elend Kraft zu schöpfen vermögen, weil ihre eigene Furcht und Trauer, ihr eigenes Elend ihnen auf einmal obszön vorkommt und verschwindet. Und diese Kraft kann allen zugute kommen.

Dienstag, 18. April 2006

anständig.

Als Kind denkt man ja, es sei bieder und spiessig, es sei höchst feige und allzu genügsam, sich damit zufrieden zu geben, ein „anständiges“ Leben zu führen. Und später merkt man vielleicht, wie schwer einem schon das nur fallen kann.

Sonntag, 16. April 2006

heute.

Heute ist Ostern. An Weihnachten hat meine Mutter gesagt, ich sei schwererziehbar gewesen. Damals schrieb man das noch zusammen. Bis dahin hatte sie sich stets - hilflos lächelnd - der Formel 'es war nicht ganz einfach' bedient. Und nun sprach sie es aus, als sei's ein derber Witz, doch ich sah ihr wohl an, wie es sie erleichterte, es ihr und mir einzugestehen. Die Weihnachtsrunde buchte das Ganze auf den familieneigenen Sarkasmus, man mag da ironische Übertreibungen allgemein sehr. Ich jedoch sass meiner Mutter am nächsten und sah ihre ernsten Augen über dem gezwängt heraufgebogenen Mund. Ich war zuerst erschrocken, sogleich aber ebenso erleichtert, wie sie es sein musste. Ich hätte nie erwogen, es ihr übel zu nehmen, dafür hatte sie viel zu sehr recht, und wirklich bemerkt hat es ausser mir niemand, dass sich da eine Art Paradigmenwechsel ausdrückte. Ich war ihr dankbar, dass sie dieses Stigma annahm, so dass ich das meine nicht mehr länger zu verstecken bräuchte. Ich spürte Anerkennung, wenngleich diese nur bitter schmecken konnte. Rotwein, wir tranken Rotwein an dem Tisch, denjenigen, den Grossvater jeweils aus den Burgunderferien importiert. Vielleicht machte er unsere Herzen einen Moment lang ein wenig freier. Schwer erziehbar - ja, das hätte ich immer als Kompliment betrachtet. Und durch die Mauer hinter meinem Bett höre ich nun eine praktizierende Schreitherapiegruppe. Mehr Rotwein.

fehlen.

Es wäre schlimm gefehlt, etwas nicht haargenau betrachten zu wollen, bloss weil man es vielleicht schlecht findet.

Freitag, 10. März 2006

bäuchlings.

Das Bauchgefühl gehört beachtet. Das hört man, und das glaube ich nun auch ein wenig. Nicht etwa deshalb, weil es recht hätte, weil es richtiger läge als andere Meinungen, weil es der Wahrheit insgesamt näher käme. Sondern, weil es sich durch nichts beirren lässt, immer wieder gleich kommt, einem immer und immer wieder in dieselbe Richtung drängt, in dieselben Gefühlswelten führt, zu denselben unbewussten Überzeugungen und Urteilen bewegt. Und weil es sich immer mit dem Lächeln desjenigen, der es schon immer besser wusste, in unsere Welt einmischt, unsere Welt nach seinem Geschmack prägt und uns seine Sicht der Dinge aufzwingt, tut Gutes für sich, wer dem Bauchgefühl die ihm gebührende Ehre erweist.

Montag, 23. Januar 2006

altefreunde.

Alte Freunde waren früher nicht unbedingt schon Freunde. Manche von ihnen (und vielleicht sind es gar die meisten) werden ganz direkt zu solchen; unvermittelt steht man ihnen als alter Freund gegenüber, ohne dass sie je eines Freund gewesen wären. Sie waren vielleicht entfernt bekannt, sie waren vielleicht weit über uns (oder umgekehrt), oder man sah sie oft, ohne sie zu kennen. Man mochte sie vielleicht nicht, man interessierte sich vielleicht kaum füreinander, oder man hatte einfach nie die Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Später dann, wenn die Wege längst gänzlich entflochten schienen und man sich plötzlich gleichwohl kreuzt, ist einem die Vergangenheit mit einem Mal ferner, als der andere es damals je war. Nach all der Zeit, die so viele Beziehungen verschleppt, versenkt und verschluckt hat, wird das Gemeinsame, das damals so allgemein und beliebig erschien, zur geteilten, wertvollen Erinnerung. Der Andere, dessen Existenz man zu jener Zeit höchstens am Rande oder aus der Ferne wahrgenommen hat, wird auf einmal zum geliebten Symbol für ein vergangenes Stück Leben. Man ist vertraut, schon nur weil das, was weit zurück liegt, immer auch den Intimbereich berührt.

Dienstag, 10. Januar 2006

nie zu nahe.

Nie darf man jemand von allzu nahe betrachten, oder in allzu hellem Licht.

Die übermässige Nähe verwirrt und verzerrt, das gleissende Licht quält die Narben und tötet die Phantasie.

Es bringt nichts, das Stück Fleisch zu erkennen, das wir sind.

Donnerstag, 24. November 2005

Ob

Ob die Sonne auch am nächsten Morgen wieder zu leuchten beginne. Ob die Haut auch dieses Mal den Schnitt vernarben werde. Ob mein Herz auch im Schlafe weiterschlage. Ob die Gedanken mir auch morgen noch gehorchen. Ob sie mich zur Begrüssung noch küssen wird. Ob das Geschriebene einmal noch dastehen wird.

Das frage ich mich, manchmal.

Samstag, 19. November 2005

real eingebildet.

"Nahtoderfahrungen - ausserkörperliche Erfahrungen: Einbildung oder Realität? Gleich, auf diesem Sender!"

Einbildung oder Realität? Ich bitte Sie, meine Damen und Herren SendungsankündigerInnen! Wo soll denn da ein Unterschied begraben liegen, wie soll denn das eine ernstzunehmende Fragestellung sein?

Sprechen wir endlich über die Realität! Es ist doch so einfach. Es gibt eine Realität, es gibt etwas, sonst läsen Sie diese Zeilen hier nicht. Sonst sässen Sie nicht da vor Ihrem Schirm und spürten diese leichte Steifheit im Kreuz. Natürlich gibt es dafür weder Beweis noch Beleg; Sie sagen das ganz richtig: Ich führe Sie mit lebensnahen Beispielen gezielt in die selektiv wahrgenommene Irre, wie jedes amerikanisch angehauchte Sachbuch, das etwas auf sich hält. Aber, und das müssen Sie doch eingestehen, falls ich Unrecht hätte und ich selber, der Herr moccalover, Sie, diese Zeilen und die Welt hinter ihrem Nacken - wenn das alles nicht bestände, was genauso möglich ist, dann wäre doch auch diese Diskussion inexistent, und ihr Gegenstand erst recht höchst überflüssig, nichtig, gar nie dagewesen seiend. Wir würden jetzt nicht plaudern, wir könnten über nichts plaudern.

Darum, so schlage ich vor, gehen wir doch einfach freiwillig und ohne weitere Sicherheit davon aus, dass es da etwas gibt. In Ordnung? Und nun kommen wir zum zweiten Punkt. Was es da gibt, und wie es funktioniert, das wissen wir grundsätzlich überhaupt nicht. Es ist da, doch wir wissen nicht, was genau und wie genau. Und, da bin ich mir sicher, wir werden es nie auch nur im geringsten wissen. Wir sind Organismen im Etwas, die dieses Etwas in sich abbilden, ohne darüber wirklich etwas zu wissen, etwas wissen zu können. Die Organismen erfinden das Etwas neu; und dies allein auf der Grundlage von Sinneseindrücken, bei denen sie nach all der Menschheitsgeschichte endlich zur Überzeugung gekommen sind, dass sie weder lügen noch die Wahrheit sagen, sondern einfach unbekannte Störungen in bekannte Reize verwandeln.

Worin läge da noch der Sinn, über die Übereinstimmung von innerer (erkundbarer) und äusserer (per se unbekannter) Realität zu philosophieren, und wäre es nur in einem reisserisch aufgemachten Teaser eines in Wahrheit sachlichen, drögen und daher gemeinhin auch informativen Wissenschaftsfernsehformat? Finden wir uns doch lieber damit ab, und wenden wir uns der Realität zu, die wir uns in unseren Köpfen formen. Überprüfen wir sie nicht darauf, ob sie mit dem Äusseren, das zwar da ist, das wir indes niemals kennen werden, übereinstimme; fragen wir uns doch einfach, ob wir mit dieser unserer eigenen Realität etwas anfangen, ob wir darin Widersprüche und anschlussfähige Erkenntnisse finden, ob wir daraus vielleicht Lehren ziehen können.

Wir können doch, meine Damen und Herren SendungsankündigerInnen (und das müsste ungefähr Punkt drei sein), küssen, liebkosen, sorgen, vorkehren, einplanen und nachsehen; wir können doch sinnvoll handeln, ohne letzte Sicherheiten zu besitzen? Die Wahrnehmung vom Nahtod und die klägliche Erinnerung daran, sie sind doch Produkte unserer Innenwelt, die genausowenig zur Erkenntnis des Äusseren, des Spürbaren und doch Unbekannten, beitragen können wie unsere alltäglichsten Empfindungen. Warum sollte die Beschreibung dieses Erlebnisses wahrer sein als jene irgendeines Zeitungsständers? Oder unwahrer? Glauben Sie denn, dass dem oft beschriebenen Rückblick auf das eigene Leben, dem Schweben über dem eigenen Körper, dem gleissenden Licht in den Augen - dass dem allem tiefere Bedeutung für unser Leben zukomme als die Wahrnehmung, dass ein kranker Mensch auf der Strasse sitzt und friert?

Sie wollen mir Erkenntnis bringen über Leben und Tod; vielleicht auch bloss über die neusten Erforschungen der Gehirndurchleuchter. Ich weiss doch, ich weiss doch. Im Tod wird alles anders, und ich wäre der letzte, der behauptete, zu wissen, was kommt. Und ich weiss genauso, dass alles, was mich als Ich berührt, eng mit meinem Gehirn verknüpft ist und dass eine Nahtodhallzination neurologische Spuren erzeugt. Haben Sie wirklich gedacht, dass ich nicht wüsste, was ich alles träumen kann? Und was im Traum möglich ist, ist möglich im Sterben. Ich erwarte keine Hilfe von Ihnen, Sie stellen sich da Fragen, an denen Sie sich pulverisieren werden. Sie erwarten Klärung von aussen und sehen nicht, dass Sie ja doch nur von innen her schauen können.

Verstehen Sie denn noch immer nicht? Die Realität ist Einbildung, es ist alles in Ihrem Kopf; und das da draussen, das werden Sie und ich, das werden wir alle nie verstehen. Wir müssen uns ein willkürliches Weltkonzept wählen, als bewusste Wesen, und gäbe es ein besseres, so hätten wir es genommen.

Haben Sie denn das Gefühl, dass in Ihren doch unter allen Umständen letztlich kurzen Leben genügend Zeit und Übersicht vorhanden wäre, um die Wahrheit zu finden – einmal vorausgesetzt, das wäre überhaupt möglich? Packen Sie ein damit, und packen Sie an! Es gibt genügend zu tun, und genügend zu fragen, auch wenn man dabei nur nach innerer Übereinstimmung sucht. Und lassen Sie mich in Ruhe mit Geschichten, die mir die plötzlich im Unerklärlichen entdeckte, bahnbrechende und umfassende Wahrheit verheissen.

Donnerstag, 17. November 2005

gut so

Die Steckerstifte von Elektrogeräten sind so isoliert, dass man sich auch bei nachlässigem Umgang mit ihnen nicht dem Strom aussetzt, wenn man sie aus der Steckdose zieht.
Das ist gut so, das ist für uns.

Lifttüren unterbrechen ihren Schliessungsvorgang, wenn man die Hand zwischen Tür und Rahmen hält.
Das ist gut so, das ist für uns.

Konfitüre in geschlossenen Portionenschalen kann nicht schimmeln, solange das Haltbarkeitsdatum noch nicht erreicht ist.
Das ist gut so, das ist für uns.

In Flugzeugkabinen gibt es Schwimmwesten, Atemmasken und Rutschbahnen, Whiskey und Papierbeutel.
Das ist gut so, das ist für uns.

Wer Kaffee bestellt, kriegt auch Sahne und Zucker, nur rauchen darf er dazu nicht immer.
Das ist gut so, das ist für uns.

Schlechte Ware kann man umtauschen, und die Stadt zahlt jedem einen Minimalsarg.
Das ist gut so, das ist für uns.

Mit modernen Akkus kann man länger mobiltelefonieren, als zwei Fussballspiele mitsamt Verlängerung und Penaltyschiessen dauern können.
Das ist gut so, das ist für uns.

Tote Menschen kann man fast nie sehen, dafür weltformatige Damenunterwäsche.
Das ist gut so, das ist für uns.

Dollar oder Euro lassen sich in jedem Land in Verkehr bringen, und für verlorene Kreditkarten gibt’s nach höchstens achtundvierzig Stunden Ersatz.
Das ist gut so, das ist für uns.

Der Computer kennt fast alle Rechtschreibregeln, und die Universitäten buhlen um Drittmittel aus der Geschäftswelt.
Das ist gut so, das ist für uns.

Die Sonne geht jeden Morgen auf, auch wenn sie sich im Nebel verschlüpft, und mit Tabletten kann man die Zeugung verhindern, Kinder beruhigen, Schmerzen wegwischen und die Verdauung befördern.
Das ist gut so, das ist für uns.

Jeden Tag erklären Experten, Kirchen, Zirkel und Vereine uns die Welt, und das Internet teilt jedem und allem unendlich grossen Raum zu.
Das ist gut so, das ist für uns.

Mit elektronischen Zahlungsaufträgen können Brunnen gebaut, Impfungen verteilt und Bäume gepflanzt werden; damit können Investitionsprodukte gekauft werden, die auf den Kupferpreis und die politische Entwicklung in Chile spekulieren.
Das ist gut so, das ist für uns.

Medizinische Geräte können jeden vorstellbaren Quer- oder Längsschnitt des Körpers in jeder Farbe abbilden, Satelliten können jeden Baum auf der Erde in jeder Farbe auf Bilder bannen.
Das ist gut so, das ist für uns.

Das Knacken des Gurkenglasdeckels versichert uns, dass niemand uns vergiften wird, und wer einen Kinositz mietet, der darf auf seinem Anspruch bestehen. Unsere Langeweile hindert uns daran, im anderen ein Monster zu sehen.

Weil die zweite Zahnbürste im Becher unter dem Spiegelschrank steht, wissen wir, dass wir nicht alleine sind.
Das ist gut so, das ist für uns.

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wer hat das angerichtet?
Die Ursache? Es ist nicht die Gier. Es ist der Glaube...
moccalover - 12. Mai, 22:39
dem gedanken folgen.
sobald ich versuche, alles in mehr oder minder stummes...
moccalover - 19. Nov, 22:36
unternehmensethik.
es ist doch nicht das unternehmen, das ethisch sein...
moccalover - 19. Nov, 22:34
und was das heisse, wenn...
und was das heisse, wenn jemand jemand sei.
moccalover - 19. Nov, 22:33
danke. wenn nur die umsetzung...
danke. wenn nur die umsetzung so einfach wie die erkenntnis...
moccalover - 19. Nov, 22:31
wer das eigentlich sei
wer das eigentlich sei
Reh Volution - 10. Nov, 07:32
da steckt viel wahrheit...
da steckt viel wahrheit drin.
me. (Gast) - 7. Nov, 21:10
danke!
danke!
moccalover - 6. Nov, 00:20
das verbrechen.
Das grösste, das ursprünglichste und verheerendste...
moccalover - 6. Nov, 00:05
nah und fern.
Leo drehte die Bierflasche langsam auf den Kopf, und...
moccalover - 6. Nov, 00:05
selbstbewusst.
selbstbewusstsein heisst nicht, sich überlegen zu fühlen nicht,...
moccalover - 6. Nov, 00:04
die vorstellung und das...
gibt es etwas Schöneres, als etwas unvermittelt zu...
moccalover - 6. Nov, 00:02
um zu
um zu
Reh Volution - 12. Okt, 08:12
um mich herum.
Das Leben. Ein Schlüssel, der mir Haus und Wohnung...
moccalover - 12. Okt, 00:43
Sandwichs.
Du hast jemand, der für dich Sandwichs streicht. Da...
moccalover - 2. Sep, 22:53

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